Friedrich Herrmann

Friedrich Herrmann ist 1989 in Zwickau geboren.  Studium Germanistik / Anglistik LA Gymnasium an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Abschluss 1. Staatsexamen (mit Auszeichnung bestanden), Tätigkeit im Fachschaftsrat, als Tutor und wissenschaftliche Hilfskraft für Prof. Vanderbeke.
2013-2014 Tätigkeit als Fremdsprachenassistent in Sheffield (UK) für den DAAD.
Friedrich Herrmann ist Poetry Slammer, Moderator und Veranstalter aus Jena. Seit 2015 tritt er im gesamten deutschsprachigen Raum mit selbstverfassten Texten auf.
Seit 2016 Organisation, Moderation & Kuratierung von Veranstaltungen in Jena, Erfurt, Weimar- u.a. in Kooperation mit FSU Jena, DNT Weimar, Bauhaus Museum Weimar, Gedenkstätte Andreasstraße, Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten.
Seit 2017 Workshops für Poetry Slam & Bühnenpräsenz sowie Coachings für passgenaue Textarbeit, u.a. für die deutsch-schweizerische Schule in Hongkong, das Centro Cultural Aléman in Monterrey (Mexiko), DAAD in Lyon (Frankreich).
Seit 2018 Poetic Recordings für Tagungen und Fachkonferenzen, u.a. für das Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit, Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport, Kulturforum Wartburgkreis. Im Herbst 2019 erschien sein erstes Buch “Notizen eines Linkshänders”, eine handschriftlich verfasste und originell illustrierte Textsammlung im Lektora-Verlag. Friedrich Herrmann lebt heute in Jena.

Klassenstufen: 10. Klasse, 9. Klasse, Oberstufe

Themen: Alltag und Familie, Fantasie und Fantastisches, Humor, Klima / Umwelt und Natur, Krieg, Liebe, Migration und Integration, Mundart, Mut, Rechtsradikalismus, Zeitgeschichte

Elemente/Werkstätten: Erzählen, Mitmachen: Bewegungen, Werkstatt: Schreiben

Kontaktdaten
Themenangebot

„Lesungen – sowohl solo als auch mit einer begleitenden Moderation auf der Bühne – machen mir großen Spaß. Als Slam-Poet ist der Vortrag der eigenen Texte ein großer Teil meines Jobs, ich habe große Freude an Stimmgestaltung und einer zum Publikum hingewandten, durchweg unterhaltsamen Bühnenatmosphäre. Mein aktueller Schwerpunkt sind humoristische Kurzprosa und Kurzessays über zeitgenössische Themen, meist mit Bezug zur eigenen Biografie erzählt.“

 Hinweis zum Umgang mit Jugendlichen / jungen Erwachsenen

„Ich habe Lehramt studiert (Deutsch/Englisch) und neben diversen Schulpraktika im Lauf der Jahre zahlreiche Workshop-Erfahrungen sammeln können. Ich arbeite gern mit Kindern und Jugendlichen. Meine Texte enthalten zuweilen Kraftausdrücke, aber sollten geeignet für Schüler*innen und Schüler ab Klasse 9 sein. Ich passe die Auswahl meiner Texte und Themen selbstverständlich an die Altersgruppe an.“

Bibliographie

Notizen eines Linkshänders, Lektora-Verlag, Paderborn 2019

Veröffentlichen in diverse Slam-Anthologien.

Auszeichnungen

2022- Clara-und-Eduard-Rosenthal-Stipendium der Stadt Jena (gemeinsam mit Florian Ernst) zum Thema 30 Jahre Kulturarena

Gewinner zwei Landesmeisterschaften (Thüringen & Sachsen) sowie 2019 die deutschsprachigen Meisterschaften im Poetry Slam in Berlin.

Leseprobe

Töchter und Söhne der Speiche

Meine Eltern steckten voller gutbürgerlicher Ambitionen, die wenigsten davon teilte ich. Mit gesenktem Kopf schob ich die Vollkornpausenbrote in den Eastpack, unter Heulkrämpfen rang ich mich zum Cello-Üben durch und ich entfesselte den Zorn der Hölle, wenn sie es wagten, das gelobte Wochenende mit einem Spaziergang – oder schlimmer noch: einer Wanderung – zu entweihen. Die Sache mit dem Fahrrad aber ging voll auf. Bis heute erfüllt mich der Stolz auf den mitternachtsblauen Rahmen, die schwarzen Hörner und unfassbare 21 Gänge. Ich schwang mich auf und war schockverliebt. Perfektion von der Federgabel bis zur Sattelstütze. Die ersten Meter lagen hinter mir und ich hatte meine zweite Hälfte gefunden, wurde halb Mensch, halb Fahrrad. Homo Speichicus.
Sieh mich an! Was siehst du?
Nichts. Weil ich super schnell bin.
Fortan blickte ich mit Verachtung auf meine weichlichen Mitschüler, die für den 30-sekündigen Weg von Honda Jazz bis Schulpforte noch den Regenschirm aufspannten und es dennoch wagten, „Tokio Hotel“ aus voller Kehle mitzusingen. Nur wir Fahrradkinder waren wirklich durch den Monsun gegangen, so viel stand mal fest.
Wir waren die Töchter und Söhne der Speiche. Schon von Weitem hörte man uns heranrollen, denn unsere Schutzbleche klapperten noch lauter als unsere Bremsen quietschten. Die umstehenden Neider waren geblendet von unseren Protektoren und getaucht in das neongrüne Licht unserer Warnweste. Unser Erkennungszeichen war die vom Helm verbeulte Frisur und das hochgekrempelte rechte Hosenbein. Natürlich trugen wir das noch bis zur Hofpause! Und natürlich auch bei Schnee, schließlich sollte man unsere formschöne Wade bewundern!
Ja, der tägliche Tritt in die Pedale formte unseren Körper ebenso wie den Charakter. Aus zarten Kinderseelen schmiedete die Straße stahlharte Survivor, gezeichnet vom täglichen Kampf um die nackte Existenz. Spartiaten nehmen es bei klirrender Winterkälte mit Wölfen auf – wir fuhren Fahrrad! Wir schlängelten uns durch die Straßen eines Landes, das das Auto zur Staatsreligion erhoben hatte, fucking Kröten hatten mehr Tunnel als wir. Behandelt wurden wir wie Abtrünnige, an denen man augenrollend mit 20cm Sicherheitsabstand vorbeischoss und nur allzu gern einen Schlenker in die Pfütze mitnahm, um uns mit einem Schwall aus Spritzwasser und Straßendreck zu erniedrigen. Unsere Ehre aber wuchs mit jedem durchnässten Kleidungsstück. Tropfnass saßen wir in der ersten Unterrichtsstunde, aber unser Leib bibberte nicht, er dampfte.
Der Hass schlug uns nicht nur von der Straße entgegen – wie oft schoben wir nach der sechsten Stunde einen vorsätzlich platt gemachten Reifen vor uns her, verstoßen aus Bus und Straßenbahn? Doch wir berappelten uns, jedes Mal. Wir salbten uns mit Reifenabrieb und Kettenöl, mit jedem Flicken auf dem Schlauch drückten wir auch ein Pflaster auf unsere geschundene Seele. Und wenn der Morgen kam, stürzten wir uns mit runderneuerter Todessehnsucht in den Berufsverkehr.
Radwege kannten wir nicht. Es gab den etwa 60cm breiten Fußweg, zu schmal beinahe, um aneinander vorbei zu laufen und daneben die donnernde Fernverkehrsstraße. Ab 11 Jahren hat man keine Wahl mehr und muss die Straße nehmen. So will es die StVO, das eiserne Gesetz, und so wollten es wir. Denn unsere Definition von Freiheit war eine andere: Sie beruhte nicht auf dem Verlangen, für einen Einkauf von 5kg Schinkenwurst mit einem 2,5 Tonner ans andere Ende der Stadt zu ballern, weil sie dort im Angebot ist. Nicht auf dem Recht nach Spritpreisen mit einer 1 vor dem Komma und ganz sicher nicht auf der merkwürdigen Versessenheit darauf, die Bewohner von Großstädten schleichend mit Stickoxiden meucheln – unsere Definition von Freiheit war es, mit hinter dem Rücken verschränkten Armen auf dem Mittelstreifen entlang zu pfeifen, während die Rostlauben links und rechts von uns im Stau steckten. Wie Russel Crowe in Gladiator durch Ähren streift, so strichen unsere Hände über die Rückspiegel der endlosen Blechlawine. Und unser Herz raste, denn eine achtlos geöffnete Autotür hätte unseren sicheren Tod bedeutet.
Die Science-Fiction Filme meiner Kindheit zeigen Städte, in denen sich der Alptraum auf unseren Straßen in die dritte Dimension erstreckt. Und ja, Milla Jovovich, die sich mit feuerroten Haaren von einem Wolkenkratzer in das Flug-Taxi von Bruce Willis stürzt, sieht unfassbar cool aus. Aber wenn noch einmal jemand diese völlig bescheuerte Idee als innovatives Verkehrskonzept anpreist, dann schlitz ich ihm so doll die Reifen auf, dass kein Flicken mehr hilft. Und so schneidig ein Tesla auch sein mag – anstatt zur Giga-Factory-Eröffnung nach Brandenburg zu buckeln, um einen exzentrischen Milliardär für eine Scheinlösung zu beklatschen, die das obere Prozent sich jetzt als wirklich netten Zweitwagen gönnen kann, könnte der Bundeskanzler sehr gern zur Eröffnung eines Bikeshops bei mir um die Ecke kommen. Ich zeig ihm, wie man einen Schlauch flickt, besonders beim Hinterrad ist das nämlich echt knifflig. Und dann reden wir darüber, wie vernünftige Radwege eines Tages dazu führen könnten, dass nicht nur komplett Wahnsinnige aufs Rad steigen und wir vielleicht alle zu Söhnen und Töchtern der Speiche werden können. Ich weiß nicht, ob Milla Jovovich den Sturz im Jahr 2263 auch überleben wird, wenn sie auf einem Gepäckträger landet. Aber die schönere Zukunft ist es allemal.

Hörprobe

Feedback

29.09.2022 Poetry-Slam-Werkstatt mit Friedrich Herrmann

Am Donnerstag, den 29.9.2022 besuchte uns der Poetry-Slam-Autor Friedrich Herrmann und trug den 10. Klassen und dem Darstellen-Gestalten-Kurs der 9. Klasse Ausschnitte aus seinem selbstgeschriebenen Buch „Ausgeschlafen in Ruinen“ vor. Die ausgewählten Texte machten sich z.B. Gedanken darüber, was Deutschsein ausmacht und, wie sich eine Kartoffel fühlt. Im Anschluss gab es einen Workshop für den DG-Kurs. In diesem lernten die Schülerinnen und Schüler in verschiedenen Schritten, selbst einen Slam zu verfassen. Zu diesen Schritten zählten unter anderem eine Vorstellungsrunde, in der man sich selbst nur von der positiven Seite beschreiben sollte. Danach erstellten wir einen „Bösen Zwilling“ von uns selbst, der das komplette Gegenteil von uns ist. Nach ein paar Übungen, welche zur Lockerung dienten, schrieben wir unseren eigenen Text. Hier fanden sich die unterschiedlichsten Themen. Zum Abschluss wurden die Texte auf der Bühne vorgetragen. Am Ende dieses Schultages wussten wir: Gedichte, das geht auch anders.

Leonie Jung, Klasse 9b, Regelschule „Lorenz Kellner“

Der Workshop war besonders intensiv. Hier hatte der Künstler einen guten Zugang zu den Jugendlichen.

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