Oktober 2025
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Der Friedrich-Bödecker-Kreis
für Thüringen e.V. (FBK)

Winzerlaer Dorfgespräche in regionaler Mundart​

Wer heute von „Jena Winzerla“ spricht, meint üblicherweise die in den 1970er und 80er Jahren errichtete Großsiedlung mit über 10.000 Bewohnern.  Weniger auffällig ist das angrenzende, im Jahre 1325 erstmals erwähnte Dorf „Winzerla“. In Vorbereitung der 700-Jahr-Feierlichkeiten begaben sich Dritt- und Viertklässler auf Spurensuche.

Im o.g. Projekt spielte auch die alte regionale Mundart eine Rolle, woran einige Kinder großes Interesse zeigten. So haben sie im Anschluss unter Regie der Autorin Sieglinde Mörtel kleine Sketche zum Zwecke der öffentlichen Aufführung  einstudiert. Erzählt und dargestellt wurden Alltags-Episoden aus dem Winzerlaer Dorfleben der 1950er / 1960er Jahre.

Die im Ergebnis dieses Projektes entstandene Publikation „Auf Spurensuche im Dorf Winzerla“ können Sie sich hier ansehen. (PDF)

Die Alltags-Episoden aus dem Winzerlaer Dorfleben der 1950er / 1960er Jahre:

1. Linna und Ruusl

Hochdeutsche Übersetzung
Hochdeutsche Übersetzung:

Linna und Rosel

Gut, dass ich dich treffe, Rosel.

Ach Linna! Was hast du denn auf dem Herzen?

Ist denn dein Mann daheim? Den muss ich was fragen.

Nein, der ist oben auf dem Berg. Heu einfahren. Und nach den Schafen gucken.

Was wollt ihr denn nur mit den vielen Schafen?

Ein paar schlachten. Ein paar verkaufen. Und der Wolle wegen, fürs Strümpfe stricken.

Sag mal: Spinnst du eigentlich?

Wie meinst du das jetzt?

Na so richtig! Mit dem Spinnrad noch.

Ach so! Na freilich! Das gehört sich doch. Du etwa nicht?

Nein. Das hat immer die Großmutter gemacht. Aber sie kann jetzt nicht mehr gucken.

Ich kann dir auch fertige verkaufen!

Darüber gären (reden) wir noch mal. Erst muss ich mit deinem Mann verhandeln.

Was willst du denn von ihm?

Stroh fürs Bett.

Habt ihr noch Stroh im Bett? Keine Matratzen mit dem Seegras drin?

Wir haben die schon. Aber die Großmutter will sie nicht. Die besteht auf ihr Stroh!

Ist denn die närrisch? Das juckt doch viel mehr! Musst dich immer scharren (kratzen).

Sie ist eigensinnig. Sie sagt: „Ich habe mein Lebtag auf’m Stroh geschlafen.
Hör mir auf mit dem neumodischen Kram.“

So sind sie, die Alten.

Stur wie die Ochsen!

2. Käthe und Mine

Hochdeutsche Übersetzung

Mine und Käthe

Ach, Käthe – was rammelst du denn so? Wo machst du denn hin?

Grüß dich, meine Mine. Ich will nur bisschen was fürs Viehzeug holen.

Ich auch. Da können wir ja miteinander auf‘n Acker machen.

Auf‘n Acker mach ich morgen. Jetzt will ich nur fix paar Handvoll Bimbaumeln holen.

Ach, habt ihr auch wieder kleine Karnickel? Wir auch!

Karnickel machen auch immer bisschen Arbeit, aber das hilft ja alles nichts!

Nein, man will ja am Sonntag immer mal Karnickel und Klöße auf den Tisch bringen.

Wo wir’s gerade von Klößen haben:
Bei mir sieht’s dieses Jahr bisschen schlecht aus mit’n Erdäpfeln (Kartoffeln).

Ach, die Erdäpfel stehen bei mir schön.
Du kannst dir gerne zwei Zentner holen. Musst sie nur selber raus karsten.

Das ist aber schön. Was willst du denn dafür haben?

Du hast schöne Runkeln.
Da würde ich mir einen Handwagen voll holen.

Na da sind wir doch schon überein (einig)!

Wir kommen doch immer überein!

Recht hast du! Wir haben uns noch nie gedeebst (gestritten)!

Ist denn eigentlich dein Hermann vorhin bei der Sirene auch los gerammelt?

Ist er! Hat alles stehen und liegen lassen und hin zur Feuerwehr.

Mein Erich auch. Sie sagten aber, es ist nur Übung.

Spät wird’s aber doch wieder. Sie machen nachher doch wieder in die Schänke.

Da haben wir am Abend daheim unsere Ruhe!

3. Mutter und Tochter

Hochdeutsche Übersetzung

Mutter und Tochter

Mutter!!! Muutter! Wo bist du?

Na hier! Was plärrst (schreist) du nur herum?

Wo ist denn der Vater? Und der Opa?

Der Vater ist im Holz (Wald). Und der Großvater ist mit dem Pferd hinunter zum Schmied gemacht (gegangen).

Die wollten mich doch mit dem Leiterwagen mitnehmen!

Die sind beide nicht mit dem Leiterwagen unterwegs.

Sie haben es aber am Sonntag zu mir gesagt. Dass ich heute mit dem Wagen mitfahren kann.

Jetzt mach mal halblang! Überhaupt: Wo kommst denn du jetzt erst her?

Von der Schule!

Lügenmensch! Die Schule ist um zwei aus. Jetzt ist es drei durch! Wo hast du dich denn wieder herumgetrieben?

Gar nicht! War nur in der Schule! Bisschen länger eben.

Guck mich mal an! Du hast doch was ausgefressen (angestellt)! Musstest du wieder nachsitzen?

Nichts hab ich gemacht! Naja, nicht viel! Die anderen aber auch!

Was war denn wieder? Gib es lieber zu! Die Schulmeisterin erzählt es mir sowieso im Konsum!

Wir haben mit dem nassen Tafel-Lappen geschmissen, die Helga und ich.
Und … hmm … naja … wir haben die Schulmeisterin erwischt.

(…) Da ist sie aber gnädig gewesen, wenn ihr nur nachsitzen musstet.

Wir mussten auch in der Ecke stehen!

Unsereins hätten sie früher verwamst (verprügelt)! Hast du noch Schularbeiten auf?

Hab ich schon fertig. Habe ich beim Nachsitzen gemacht.

Da gächst (treibst) du jetzt die Enten vom Teich heim. Ich füttere die Heppen (Ziegen).
Und morgen kannst du auf dem Wagen mitfahren. Da wollen wir eine Fuhre Futter holen.

Morgen mit dem Wagen mitfahren! … Darf denn die Helga auch mitfahren?

Mir wegen (einverstanden). Aber ohne nassen Tafel-Lappen!

4. Rudi und Erich

Hochdeutsche Übersetzung

Rudi und Erich

Na Erich, hast du Kohlen gekriegt?

Hör mir auf, Rudi! Das Geschleppe immer mit den Eimern.

Warum haben sie die denn draußen auf der Straße abgekippt?

Das war ein fremder Kutscher dieses mal.

Du hättest doch nur dein Hoftor auf machen brauchen!

Als der ankam, wollte ich gleich hinaus machen.
Aber da hatte der Brummochse die schon draußen hin gedonnert.

So ein Rindvieh!

Und nachher wollte der auch noch Trinkgeld haben.

Du hast dem doch nicht etwa gegeben?

Bist du nur närrisch! Angeplärrt hab ich den. Aber das hilft mir jetzt auch nicht mehr.

Musst du die Eimor in den Keller runter buckeln?

Nein, hab mit eine Runkel-Rutsche geborgt. Die geht auch als Kohlen-Rutsche.

Solche Kerle aber auch! Nichts wie Stroh im Nüschel!

Da hast du Recht. In der Stadt drin schaffen die Kutscher die Kohlen in Säcken bis in den Keller.

Die armen Kerle müssen sich arg plagen.

Man muss ja froh sein, wenn man jetzt Kohlen kriegt.

Weißt du noch, in der schlechten Zeit …

… da mussten wir mit der Mutter Kohlen mausen.

Unten bei der Bahn! Vom Eisenbahn-Wagen.

Zum Glück haben sie uns nicht erwischt damals.

5. Erna und Friedl

Hochdeutsche Übersetzung

Friedel und Erna

Erna! Bist du daheim? Ernaa! Komm ein mal her zu mir!

Das kann doch nur Friedel sein! Das schlechte Mensch hat mir gerade noch gefehlt!
… Augenblick! Ich komme raus! … Was willst du denn, meine gute Friedel?

Kannst du mir mal einen Flederwisch (Gänseflügel zum Ofenputzen) borgen? Meinen hat der Köter (Hund) zerrissen.Der Essenkehrer (Schornsteinfeger) war da. Da will ich gleich noch den Ofen ausputzen.

Kannst du haben! Bei uns war er gestern. Den Dreck hab ich schon weg.

Das ist immer eine Sauerei. Du kannst nasse Lappen ums Ofenrohr wickeln, wie du willst.
Der Ruß macht (zieht) durch die ganze Bude.

So ist es! Hast zwei Tage zu tun mit Reinemachen. Scheuern, Bohnern …
Jetzt muss ich auch noch Teppich klopfen.

Jetzt Teppich klopfen? Das machen wir im Winter im Schnee.

Wir eigentlich auch. Aber wir haben doch Silberhochzeit, da muss auch der Teppich geklopft sein.

Wir haben in einem Jahr Silberhochzeit.
Wir wollen zwei Sauen füttern, dem vielen Besuch wegen.

Ich muss auch noch backen und machen. Bin jetzt schon fix und alle (fertig).

Musst du denn das allein machen? Hast du keine Back-Frau?

Doch, die habe ich. Die Nachbarin unten. Die macht‘s doch fürs halbe Dorf.

Und so schön! Sie hat ja noch einen richtigen Backofen.

Wo wir es gerade davon haben: Kannst du mir mal deine „Fertschwäre“ (Kuchenschragen) geben? Ich habe nur eine kleine, die reicht nicht.

Kannst du haben. Ich schicke am Montag Alfred her.
Da gebe ich ihm auch gleich deinen Flederwisch wieder mit.

Montag würde passen. Sie soll in mein Waschhaus. Das habe ich dann auch fertig.

Und wenn ich dir helfen soll bei deiner Silberhochzeit, sagst du Bescheid. Da komme ich zu dir, aufwaschen. … Jetzt mache ich los. Damit ich heute noch fertig werde.

Gehab dich wohl, meine gute Friedel. …
… Hmm, naja, … so ein schlechtes Mensch ist sie vielleicht doch nicht!

6. Liese und Marichen

Hochdeutsche Übersetzung

Liese und Mariechen

Tag, Mariechen! Hast du auch große Wäsche heute?

Nee, Liese. Große Wäsche hab ich letzte Woche gehabt. Heute hab ich kleine Wäsche.

Ein Waschtag im Monat reicht jetzt gar nicht mehr. Die Wänster (Kinder) sauen sich ständig ein.

Meine auch. Die Tage (letztens) wollte meine Kleine im Sonntags-Kleid in die Schule machen (gehen)!

Im Sonntags-Kleid? Am Ende noch ohne Schürze auf dem Dorf rumlaufen?

Am liebsten! Da war ich fuchtsch (erbost)! Hab gesagt, sie soll selber waschen, bügeln und flicken (nähen).

Die haben gar keine Ahnung, wie wir uns abrackern (abplagen) müssen mit der Wäsche.

Man muss aber zugeben: Mit der hölzernen Bottich-Waschmaschine jetzt ist es schon besser.

Hast recht. Früher haben wir uns mit der Rumpel und der Wurzelbürste plagen müssen.

Wir haben jetzt sogar eine richtige Schleuder gekriegt. Das ist eine schöne Sache!

Ich habe daheim schon gesagt, dass ich auch so ein Ding haben will.

Richtig so! Von der Auswringerei tun einem tagelang die Hände weh.

Na, zum Glück sind unsere Wänster aus den Windeln raus!

Ach, hör mir auf! Immer den Windel-Koch-Topf auf dem Küchenherd!

Meinen Windel-Topf habe ich schon zu meiner Großen gebracht.

Na eben! Die kriegt ja was Kleines. Wann ist es denn so weit?

Wir warten alle Tage. Die Kinderkutsche (Kinderwagen) habe ich auch schon besorgt.

Wie leben wir den überhaupt in der Zeit? (Wie spät ist es?)

Die Kirche schlägt gleich Vier. Warum denn?

Da muss ich los! Will heute noch auf die Rolle (öffentliche Wäschemangel)! Mach es mal gut!

Du auch! Und lass dich nicht ärgern.